Mittwoch, 15. August 2018

Farbbruch_Helen und Magdalena



Helen ist - das Glashaus, in das sie ihre Wut werfen.

Das Klirren der Scherben verwandelt der Wind. 



Wie Schneideschlitten ziehen Worte über das Bruchglas.

Ich färbe die Splitter und setze Fenster damit in meiner Kapelle.



Was nicht zerstört war, barst an der Kälte des Schweigens oder schnitt ihr ins Wort.

Sprachlosigkeit in Stille verwandeln - meinst du das mit Magie?



Ich folge dem Lauf von Bewusstseinströmen und hoffe auf Helens Stimme.  
 
Wenn du mich hören willst, gib mir dein Wort.







Montag, 7. Mai 2018

Mayflower



„Du hattest gesagt, ich solle dazustoßen, also stieß ich dazu. Ihr habt in der Runde gesessen, Jan hielt eine  Kaffeetasse in der Hand.  Dich sah ich nur von der Seite. Dein Blick in Richtung Jan hätte ebensogut einer Frau gelten können. Diese Art charmanter Aufmerksamkeit bringe ich jedenfalls nur in Flirtlaune auf. Doch du warst nicht in Flirtlaune, du warst „einfach nur glücklich".  Weil du wusstest, ich würde jeden Moment durch die Tür kommen. "Ganz normal." Ja, das sagest du immer und immer wieder:„Du gibst mir das Gefühl von Normalität, das tut gut.“ Ich wusste genau, was du meinst.
(Tagebucheintrag, Mai 2016)

Wie er dort saß, so ganz selbstverständlich auf mich wartend, so sicher, dass ich jeden Moment da sein würde, da dachte ich: Ich glaube, es hat mich schrecklich erwischt. Richtig schrecklich erwischt. 



 

Montag, 21. Dezember 2015

4/Erstes Bild: Marie

Sie muss immer sinnen: Ich bin... ich bin...
Wer bist du denn, Marie?
      Eine Königin, eine Königin!
      In die Knie vor mir, in die Knie!

Sie muss immer weinen: Ich war... ich war...
Wer warst du denn, Marie?
      Ein Niemandskind, ganz arm und bar,
      und ich kann dir nicht sagen wie.

Und wurdest aus einem solchen Kind
eine Fürstin, vor der man kniet?
      Weil die Dinge alle anders sind,
      als man sie beim Betteln sieht.

So haben die Dinge dich groß gemacht,
und kannst du noch sagen wann?
      Eine Nacht, eine Nacht, über eine Nacht, -
      und sie sprachen mich anders an.
      Ich trat in die Gasse hinaus und sieh:
      die ist wie mit Saiten bespannt;
      da wurde Marie Melodie, Melodie...
      und tanzte von Rand zu Rand.
      Die Leute schlichen so ängstlich hin,
      wie hart an die Häuser gepflanzt, -
      denn das darf doch nur eine Königin,
      dass sie tanzt in den Gassen: tanzt!...

Rainer Maria Rilke, Der Wahnsinn